Der Totstell-Reflex im Autonomen Nervensystem (Fortsetzungsbeitrag Teil 2)

Wenn man einfachste Lebewesen betrachtet, können sie etwas, was bereits Einzeller beherrschen: Nämlich erstarren. Das Erstarren ist der erste biologische Schutzmechanismus. Diesen beherrschte auch unser uraltes Reptil. Absolute Bewegungslosigkeit und das Absenken der Körpertemperatur machten bei Gefahr quasi unsichtbar. Der Fressfeind war überlistet – oft.

Der Sympathikus ist zuständig für die Mobilisation: Für Angreifen und Flüchten und sich natürlich auch dorthin zu bewegen, wo sich das Reptil aufwärmen konnte, um noch besser und in Ruhe zu verdauen und zu regenerieren. Dort nutzte es den parasympathischen Anteil des Autonomen Nervensystems, das für die Ruhe, für Regeneration und Verdauung zuständig ist.

Welchem Schutzmechanismus kann der Totstell-Reflex zugeordnet werden?

Dieser Reflex gehört zum Parasympathikus. Beim Totstellen (in der Erstarrung) ist, wie bei der Verdauung die Konzentration von Blut im Bereich der inneren Organe zu beobachten. Der Organismus schützt die lebenswichtigen Organe. Deshalb sinkt die Körpertemperatur des Reptils. Wenn das Blut im inneren konzentriert ist, kann das warme Blut nicht gleichzeitig in der außen gelegenen Muskulatur sein. 

Die Aktivierung des Sympathikus bringt das Reptilienblut wieder verstärkt in diese Muskulatur – das Reptil bewegt sich wieder geschmeidig.Und schon sind wir bei einer entscheidenden Fragestellung.

Wer oder was entscheidet innerhalb des Reptils über die Aktivierung von Sympathikus oder Parasympathikus? Ein Großhirn, also einen Verstand, hat das Reptil nicht.

Die Entscheidung wird autonom im Reptil getroffen. In der Entscheidungsinstanz müssen alle inneren Parameter aber auch die Umgebungsparameter zusammengeführt und unter dem Aspekt des Überlebens gewichtet werden. Der Psychologe Stephen Porges hat sich intensiv mit dem Thema Stress auseinandergesetzt, geforscht und sich deshalb auch mit der Entwicklung des Autonomen Nervensystems beschäftigt. Er nennt die Entscheidungsinstanz „Neurozeption„. 

Die Neurozeption bewertet auf Nervenebene die Sicherheitslage für das Individuum „Reptil“ und aktiviert entsprechend der Sicherheitslage die Schutzmechanismen, die zur Verfügung stehen. So entstehen natürliche, biologische Handlungsabläufe – ohne Zutun irgendeiner Verstandesleistung. 

  • Ein kleines Tier nähert sich (Hunger/Verteidigung) ⇒ Sympathikus ⇒ Angriff
  • Das Tier ist gefressen (satt) ⇒ Parasympathikus ⇒ Verdauung
  • Ein großes Tier nähert sich (Angst) ⇒ Sympathikus ⇒ Flucht
  • Ausweglose Situation (Todesangst) ⇒ Parasympathikus ⇒ Todstill-Reflex

Vielleicht entsteht in deinen Gedanken allmählich eine Idee, was das Ganze mit unserer menschlichen Natur zu tun haben könnte.