Wie ist das mit dem Autonomen Nervensystem nun bei uns Menschen? (Fortsetzungsbeitrag Teil 3)

Die Neurozeption ist nicht weg, der Sympathikus ist nicht weg aber der Parasympathikus hat sich zweigeteilt. Der Parasympathikus besitzt nun einen alten Reptilienanteil und einen neuen Säugetieranteil. Irgendwie findet die Evolution neue Wege das Überleben eines Individuums und das Überleben einer Art zu sichern. Zumindest trifft dies auf das Hervorbringen neuer Lebensformen zu. Bei den Säugetieren war das so. Hat die Evolution etwa einen Plan?

Welche neuen Bestandteile an Schutzmechanismen benötigt ein Säuger für die Erhaltung des Individuums und die Erhaltung der Art?

  • Eine andere Form der Brutaufzucht – das Säugen
  • Eine neue Form des Zusammenlebens – ein soziales Kontaktsystem
  • Neue Formen der Kommunikation
  • Lernen und Gedächtnisleistung
Diese Bestandteile müssen nun im Organismus auch verortet werden. Ein ganz neues Nervensystem zu bilden, ist zu kompliziert. Erweitere ich doch einfach einfach die Möglichkeiten eines vorhanden Systems und sehe dann zu, dass der neue Anteil ebenfalls autonom wird. Dies könnte die Vorgehensweise gewesen sein. (Gedacht hat die Evolution wahrscheinlich nicht.) 

Im Übergang vom Reptil zum Säuger teilt sich der Parasympathikus auf. Die Medizin kennt diese beiden paarsympathischen Stränge als ventraler und dorsaler Vagus.

  • Reptilien-Anteil – dorsaler Parasympathikus – dorsaler Vagus
  • Säugetier-Anteil – ventraler Parasympathikus – ventraler Vagus

Beide Stränge entspringen im Stammhirn. Der alte Anteil rückseitig also dorsal und der neue Anteil bauchseitig also ventral. Jetzt muss nur noch der Begriff „Vagus“ geklärt werden. Der Vagus ist ein Nerv. Besser: ein Nervengeflecht. Der vagusnerv ist der Vagabunden unter den Nerven – er hat fast überall „seine Finger drin“. Das muss auch so sein, da er viele unserer Körperfunktionen reguliert, die zum Beispiel mit Verdauung und Regeneration zu tun haben. 

Damit gestaltet sich das Autonome Nervensystem nach der Polyvagaltheorie von Stephen Porges dreigeteilt. Die Neurozeption stellt dabei als autonome Entscheidungsinstanz das Zentrum dar.

Säuger kommen übrigens viel zu früh auf die Welt: Sie beherrschen noch nicht alles, was sie zum Überleben benötigen – sie müssen lernen. Die Evolution stellt dafür das Großhirn mit seiner Großhirnrinde zur Verfügung. Das große Gehirn ist der Grund weshalb Säuger nicht noch länger ausgetragen werden können.

Beim Menschen sind aber auch die körperlichen Fähigkeiten noch lange nicht ausgereift, wenn der Mensch auf die Welt gekommen ist. Der Säugetieranteil im Autonomen Nervensystem reift noch bis wir etwa ein Alter von 12 Jahren haben. Erst dann hat z.B. der neue parasympathische Anteil sein Optimum in der Reizleitungsgeschwindigkeit erreicht. Dies geschieht durch Myelinisierung. Die ventralen Vagusnerven erhalten eine Ummantelung mit einer Fettschicht. Damit wird die Reizweiterleitung schneller und damit wird der ventrale Anteil autonom. Und da ist ja noch die Pubertät. Aber die Neurozeption bleibt.